Um unter diesen Bedingungen die Versorgung sicherzustellen, ist es zwingend notwendig, die eigene Lieferkette und die Wertschöpfungskette der wichtigsten Rohstoffe gut zu kennen. Unternehmen sollten enger als bisher mit ihren Lieferanten zusammenarbeiten, um deren Abhängigkeiten und Risiken zu verstehen und gemeinsam Frühwarnmechanismen und Maßnahmenkataloge zu definieren.
Dazu gehört, die Lieferketten zu diversifizieren und zentrale Rohstoffe parallel aus verschiedenen Regionen der Welt zu beziehen. Angesichts potenzieller Unterschiede der Produktspezifikationen muss sich der Einkauf dazu eng mit Produktion und Qualitätssicherung abstimmen. Regional diversifizierte Lieferketten sind in der Regel teurer als der zentrale Bezug aus einer Quelle. Angesichts wachsender Wetter- und geopolitischer Risiken besteht dadurch aber eine größere Absicherung gegenüber Lieferausfällen.
Szenarien realistisch planen
Gibt es – wie etwa bei Sonnenblumenöl – weltweit eine einzige dominante Lieferregion, sollten Unternehmen in ihrem Risikomanagement definieren, auf welche Substitute sie ausweichen können, um bei Bedarf schnell handeln zu können. Natürlich lassen sich Kriege nicht vorhersehen. Doch dass zum Beispiel in einer trockenen Region die Ernte auf den Anbauflächen verdorren kann, ist leider ein realistisches Szenario und sollte daher in Maßnahmenplänen berücksichtigt werden.
Gerade in der Lebensmittelbranche liegen die Vorteile eines langfristigen, strategisch ausgerichteten Risikomanagements auf der Hand: Alternative Rohstoffe können Geschmack und Aussehen des Produkts für den Kunden verändern, stellen andere Anforderungen an die Produktion und müssen die Bestimmungen des Lebensmittelrechts erfüllen – bis hin zu der Vorgabe, dass zum Beispiel kein Rapsöl in der Frühstückscreme sein darf, wenn Sonnenblumenöl auf dem Etikett steht. Wer sich mit all diesen Themen und Fragen vor Eintritt eines Risikos auseinandergesetzt hat, bleibt handlungsfähig.
Kompromissfähigkeit und Kooperation sind zentral, um in der aktuellen Situation tragfähige Lösungen zu finden. Das bedeutet aber nicht, dass Einkäufer:innen die Preisforderungen ihrer Lieferanten kritiklos hinnehmen sollten. Im Gegenteil: Jede Preiserhöhung sollte überprüft werden. Hellhörig werden sollten Einkäufer:innen immer dann, wenn eine Forderung pauschal mit „der Inflation“ begründet wird. Bei einer berechtigten Forderung können Lieferanten nachweisen, wo welche Preiserhöhungen entstehen. Fairer Umgang bedeutet auch, dass Lieferanten bereit zu kurzfristigen Reviews sein sollten, um etwaige Preissenkungen auf dem Weltmarkt ebenfalls an ihre Kunden weiterzugeben. Wo immer möglich, sollten Einkaufsabteilungen auch diese Steigerungen gemeinsam mit dem Lieferanten angehen – vielleicht ergeben sich durch die Kooperation neue Möglichkeiten, um drohende Preisanstiege zu mindern und damit einen Beitrag für bezahlbare Lebensmittel zu leisten.