08.09.20 - Technik+Einkauf: Wenn Lieferketten in der Krise zu reißen drohen

Die COVID-19-Pandemie hat die Lieferketten in einem noch nie zuvor dagewesenen Ausmaß gefährdet. Wie können sie widerstandsfähiger gestalten werden und dabei die bestmögliche Resilienz durch Zukunftstechnologie erreichen, das ist die große Frage.

Die Corona-Krise hat die Schwachstellen in der Beschaffung, die oftmals schon bekannt waren, mit all ihren Auswirkungen in der Praxis gezeigt. Sie zeigt, welche Konsequenzen aus intransparenten Lieferketten resultieren und wie wichtig der konsequente Informationsaustausch zwischen Einkauf und Lieferant ist. Die Beschaffung ist ein direkter Teil der Wertschöpfungskette. Die Effizienz und Robustheit der Abläufe in diesem Unternehmensbereich bestimmen maßgeblich über den wirtschaftlichen Erfolg. Unternehmen, die ihre Beschaffungsprozesse effizient und transparent gestalten, sind im Vorteil. Doch oftmals fehlt dies über alle Prozessschritte hinweg: Beginnend bei der Bedarfsmeldung über den Einkauf und die Gestaltung des Wareneingangs bis hin zur Bearbeitung der Rechnungen und zum Vertragsmanagement. Das führt zu mehr Qualität und schnelleren Durchlaufzeiten.

Pandemie ist Nachhaltigkeitstreiber

Doch auch der Druck auf die globalen Lieferketten durch Logistik- und Frachtprobleme war enorm. Grenzschließungen, reduzierte Frachtmöglichkeiten und verlängerte Kontroll- und Quarantänezeiten haben viele Einkaufsabteilungen an den Rand der Verzweiflung gebracht. Alternative Lieferanten mussten her, kritische Materialien mussten in neu angemieteten Lagern gehortet werden, damit die Produktion trotz allem weiter läuft. „Viele Einkäufer standen vor dem Problem, die Ausfälle durch geschlossene oder reduziert arbeitende Zulieferbetriebe abzufedern. Wenn Einkäufer gezwungen sind, inmitten der anhaltenden Krise den Lieferanten zu wechseln, steigern sich natürlich auch die Nachhaltigkeitsrisiken“, betont Stephanie Dinter, Senior Account & Costumer Success Managerin bei EcoVadis. „Trotz dieses Drucks ist es aber von größter Wichtigkeit, dass Einkäufer klare Erwartungen an die Nachhaltigkeitsleistung schaffen.“ Beim Eintritt in neue Regionen müssen Einkäufer nicht nur die lokalen Rechtssysteme verstehen, sondern auch die Gesetze von den einzelnen Zulieferern kennen. Das stellt die Nachhaltigkeitssysteme vor Herausforderungen, insbesondere da die Überprüfung durch One-Site-Audits nicht möglich ist. „Es ist aber nach wie vor möglich, Lieferanten bei Vertragsabschluss einen Verhaltenskodex unterzeichnen zu lassen“, empfiehlt Nachhaltigkeitsexpertin Dinter. „Eine weitere sinnvolle Möglichkeit ist die Verwendung von Vertragsklauseln, die Standards für die Nachhaltigkeitsleistung festlegen – zum Beispiel, dass ein EcoVadis Rating innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden muss.“ Viele Unternehmen hätten in der Krise den Handlungszwang erkannt, die Nachhaltigkeitsleistung ihrer Lieferanten, auch im Multi-Tier-Bereich, zu monitoren und zu verbessern. „Im Fokus stehen nachhaltige Ressourcennutzung sowie kosten- und risikobewusste Strategien entlang der Lieferketten und die Festlegung klarer Kennzahlen. „Wer seine Einstellung im Einkaufsmanagement nicht ändert, bleibt auf der Strecke“, betont Dr. Stefan Benett, Managing Director Inverto und Experte für strategischen Einkauf und Nachhaltigkeit. „Das Motto: über das Kostensparen hinaus zur transparenten Kooperation und innovativen Prozessen. Das ist insbesondere bei globalen Lieferketten anspruchsvoll und erfordert neue Kompetenzen und teilweise andere Führungskräfte.“

Übergreifende Zusammenarbeit

Eine der größten Herausforderungen, die COVID19 mit sich brachte, war sicherlich die Sicherstellung der Geschäftskontinuität bei gleichzeitigem Gesundheitsschutz der Mitarbeiter und die damit einhergehende Umstellung auf Remote-Arbeit. Die aktuelle Situation forderte Unternehmen mehr denn je, sich digital aufzustellen. Insbesondere Abteilungen, deren Arbeitsweise nach übergreifender Zusammenarbeit, Interaktion und Kollaboration verlangt, mussten nun neue Wege gehen, wenn sie weiter handlungsfähig bleiben wollen. Und je globaler die Lieferketten aufgestellt sind, umso wichtiger ist, dass die Kommunikation der Beteiligten alternativ organisiert wird, damit die Aufrechterhaltung der Versorgung nicht an fehlenden Papierdokumenten scheitert. Was aber können Supply-Chain-Profis tun, um ihre Lieferkette am Laufen zu halten? „Eine Besinnung auf ‚Made in Germany‘ wird beim Lieferketten-Management nicht die ultimative Lösung sein“, sagt Eduard Erhart, bei IBM verantwortlich für Watson Supply Chain Lösungen. „Stattdessen können relevante Daten als Entscheidungsgrundlage und Frühwarnsystem in solchen außergewöhnlichen Situationen für den entscheidenden Wissensvorsprung sorgen.“ Deshalb setzt IBM Watson auf KI-unterstützte Kollaboration-Tools, die Transparenz in die Lieferkette bringen, aber auch die Fähigkeit aller Beteiligten in der gesamten Lieferkette, aufzeigt. Mit ihnen kann auf Echtzeitdaten im Zusammenhang mit Bestellprozess, Lagerbestand, Bereitstellung und potenziellen Unterbrechungen der Lieferkette zurückgegriffen werden, aber auch globale Teams zusammengebracht werden, die aufgrund ihrer Kompetenzen geeignet sind, um auftauchende Probleme entlang der Lieferkette schnell zu lösen. „Gerade in so einer Ausnahmephase wie in der Corona- Krise haben wir gesehen, wie wichtig es ist, dass auch wenn die Ressourcen knapp werden und zeitliche Abläufe immer kürzer werden, es von erheblichem Vorteil ist, wenn man seinen Counterpart am anderen Ende der Welt kennt und mit ihm zusammen an Lösungen arbeiten kann“, betont Erhart. „„Unsere KI-Tools bieten hier die nötige Unterstützung für das abteilungsübergreifende Supply Chain Management, um Teams und Supplier über Ländergrenzen hinweg effektiver zusammen arbeiten zu lassen. Das ist der große Vorteil von vorausschauenden KI-Lösungen.“ Die erweiterten Erkenntnisse verbessern den Kundenservice, senken die Kosten und minimieren Unterbrechungen, die sich auf die Lagerbestände beim Lieferanten und die Produktbereitstellung auswirken könnten.

Autorin: Kathrin Irmer

 

Erschienen online bei Technik + Einkauf am 08.09.20

www.technik-einkauf.de

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