Das Potenzial von GenAI ist immens – die Technologie verspricht Unterstützung in zahlreichen Bereichen.
KI im Einkauf
Wie GenAI die Komplexität durchbricht
Generative KI ist das Herzstück einer neuen Generation von Technologie-Tools, die künftig die Abläufe im Einkauf grundlegend verändern.
Innerhalb kürzester Zeit ist generative künstliche Intelligenz (GenAI) zum angesagtesten Technologietrend der Welt geworden. Knapp drei Jahre ist es her, seit ChatGPT als erstes öffentlich zugängliches GenAI-Tool auf der Bildfläche erschienen ist. Seitdem sind Großunternehmen weltweit fasziniert von den Möglichkeiten dieser Technologie, wollen ihr Potenzial verstehen und für sich nutzen. Das zunehmende Interesse spiegelt sich in der Kursentwicklung von Nvidia wider, des führenden Herstellers der Chips, mit denen KI-Modelle gebaut werden: Die Aktien des Unternehmens stiegen 2023 um fast 240 % und hatten bis Mitte Juni 2024 um weitere 190 % zugelegt. Damit katapultierte sich Nvidia kurzzeitig an die Spitze der wertvollsten Unternehmen weltweit.
Das Potenzial von GenAI ist immens – die Technologie verspricht Unterstützung in zahlreichen Bereichen.
KI-Tools eignen sich hervorragend, um präzisere Nachfrage- und Bestandsprognosen auf der Basis quantitativer Daten zu erstellen.
Schnellere Erstellung von Inhalten für allgemeine Marketingaktivitäten
Reduktion der gesamten Beratungszeit in Call-Centern
Produktivitätssteigerung für Softwareentwickler, die GenAI-gestützte Kodierung verwenden
Effizienzsteigerung durch GenAI-unterstützte Workflows für B2B-Informationsdienstleister
Die Analyse zeigt, dass GenAI einen leistungsfähigen, vielseitigen Werkzeugkasten darstellt, mit dem Einkaufteams viele Prozesse automatisieren und rationalisieren können. Bei Ausschreibungen kann ein GenAI-basierter Assistent die Teams bei Erstellung und Überprüfung von Ausschreibungsunterlagen unterstützen und funktionale sowie technische Spezifikationen prüfen. Da das Modell vorher mit Best-Practice-Unterlagen trainiert wurde, kann es gezielt Verbesserungen vorschlagen. Dank ihrer Fähigkeit, Chat-Prompts über natürliche Spracheingaben verarbeiten können, sind diese Tools einfach und intuitiv zu bedienen.
In Praxistests hat sich die Zeit für die Erstellung von Ausschreibungsunterlagen durch den Einsatz von GenAI-Assistenten halbiert – das entsprach pro Ausschreibung einer Zeitersparnis von zehn Stunden. Teilnehmende der BCG-Studie berichten darüber hinaus, dass der Assistent die Einheitlichkeit und Qualität der Dokumente verbessert hat und dadurch die Verhandlungsposition des Unternehmens gegenüber Lieferanten stärken konnte. Das kommt dem Wunsch nach intelligenten digitalen Tools zur Optimierung der Arbeitsprozesse entgegen.
Der GenAI-Assistent ist auch in der Lage, die Angebote verschiedener Lieferanten zu vergleichen und auszuwerten. Die Angebote werden in das GenAI-Modell geladen, anschließend kann der Assistent sie mit den Anforderungen aus der Ausschreibung vergleichen, die verschiedenen Angebote zusammenfassen und Fragen zu beliebigen Aspekten beantworten.
GenAI erschließt das Wissen, das in den Datenbeständen von Unternehmen schlummert, indem es tiefgreifende Analysen ermöglicht und daraus Chancen ableitet. Voraussetzung hierfür ist eine sorgfältige Datenbereinigung und -vereinheitlichung in den ERP-Systemen.
Unternehmen speichern ihre Daten oft in mehreren ERP-Systemen, die Informationen möglicherweise unterschiedlich strukturieren. Mit manuellen Methoden würde die Bereinigung und Kategorisierung der Daten für Detailanalysen Tage dauern – ein KI-Modell bewältigt das hingegen in Rekordzeit. Mit der Fähigkeit, natürliche Sprache zu verarbeiten und den Kontext zu verstehen, eignet sich GenAI bestens für die Datenbereinigung und -harmonisierung. Sie erkennt Tippfehler und Abkürzungen für ein und denselben Anbieter wie Microsoft (Microsoft, Microsooft, MSFT usw.), vereinheitlicht alle Schreibweisen zu „Microsoft“ oder standardisiert unterschiedliche Materialbezeichnungen. Darüber hinaus können GenAI-Systeme Daten aus den unterschiedlichen Strukturen verschiedener Systeme in ein Standardformat für Analysen überführen.
Nach der Bereinigung und Umwandlung kann GenAI die Daten nach Produkt- und Ausgabekategorien sortieren. Dies ermöglicht die Analyse alternativer Bezugsquellen und gibt Einblick in die Ausgabenverteilung auf verschiedene Lieferanten. GenAI kann auch potenzielle Einsparungen und Effizienzsteigerungen identifizieren und Handlungsoptionen vorschlagen – sei es die Beschränkung des Einkaufs auf eine kleinere Anbietergruppe, die Suche nach alternativen Produkten oder der Wechsel von Kauf zu Leasing bei Sachanlagen. Für jede Option werden die möglichen Einsparungen und Vorteile transparent angezeigt.
PROCUREMENT: LET’S GET REAL!
Auch wenn viele Unternehmen das Potenzial von GenAI für ihren Betrieb erkennen: Es bleibt die Frage nach der Datensicherheit. Immer wieder wird gewarnt, dass Daten, die in öffentliche LLMs wie die kostenlosen Versionen von ChatGPT hochgeladen werden, nicht mehr vertraulich sind und in die Trainingsdaten einfließen, mit denen das Modell angelernt wird. Diese Bedenken lassen sich jedoch zerstreuen.
Unternehmen können auf speziell entwickelte Drittanbieter-Lösungen wie den Microsoft Copilot oder den KI-Assistenten von Adobe zurückgreifen. Diese laufen auf privaten Cloud-Servern und gewährleisten den Schutz sensibler Informationen. Unternehmen, die intern entwickelte oder für sie maßgeschneiderte GenAI-Tools einsetzen möchten, haben mehrere Möglichkeiten für den Aufbau eines sicheren, privaten LLM – von der direkten Lizenzierung von ChatGPT Enterprise über OpenAI bis zur Nutzung führender Cloud-Anbieter wie Microsoft Azure, der enge Verbindungen zu OpenAI hat, oder Amazon AWS. So stehen unternehmensbezogene Daten nicht mehr für die allgemeinen Trainings der LLMs zur Verfügung.
Es ist weithin bekannt, dass GenAI-Modelle täuschend echte, jedoch vollkommen falsche Informationen, Ereignisse und Menschen generieren können. Diese „Halluzinationen“ öffentlicher GenAI-Anwendungen sorgen immer wieder für Aufsehen. Es ist jedoch wichtig, zu verstehen, welche Mechanismen diesen KI-generierten „Fantastereien“ zugrunde liegen.
Wie stark ein GenAI-Modell halluziniert, lässt sich durch Einstellung des sogenannten Temperaturparameters kontrollieren. Öffentliche LLM-Versionen wie ChatGPT haben eine fest vorgegebene Temperatur, die Nutzerinnen und Nutzer nicht verändern können. Das bedeutet, dass sie keinen Einfluss darauf haben, ob die Antworten, die ihre GenAI liefert, frei erfunden sind. Unternehmen, die hingegen ihre eigenen LLMs implementieren und trainieren, sollten dabei einige entscheidenden Faktoren beachten.
Zunächst einmal: Alle GenAI-Modelle halluzinieren. Das ist in gewisser Weise auch so gewollt, denn GenAI wird – zumindest teilweise – gerade deshalb genutzt, weil sie neue Inhalte und alternative Möglichkeiten generieren kann. Unternehmen, die ein privates, mit ihren eigenen Daten trainiertes LLM verwenden, können durch die Einstellung der Temperatur selbst bestimmen, wie viele Halluzination sie zulassen möchten. Sie sind nicht an eine vorgegebene Standardeinstellung gebunden.
Die Halluzinationen eines Modells werden allerdings noch von weiteren Faktoren beeinflusst. Da manche LLMs für bestimmte Aufgaben besser geeignet sind als andere, kommt es also auf die Wahl des richtigen Modells an, um unerwünschte Halluzinationen zu minimieren. Bemerkenswerterweise ist ChatGPT 3.5 seinem Nachfolgemodell, dem neueren 4.0, bei manchen Aufgaben noch immer überlegen. Eine weitere Die Möglichkeit, den Grad der gewünschten Halluzination des LLM fein zu justieren, stärkt das Vertrauen der Unternehmen in ihre GenAI-Systeme. Dennoch wird kein System jemals unfehlbar sein. Unverzichtbar bleibt daher auch weiterhin ein „Human in the Loop“, um die Ergebnisse als letzte Instanz menschlich zu überprüfen.
Viele Unternehmen stehen noch am Anfang, wenn es darum geht, das Potenzial von GenAI für sich zu erschließen. Oft fehlt das Bewusstsein für die Fähigkeiten der KI und damit auch für den möglichen Nutzen. Ein weitverbreiteter Irrglaube ist, dass die Implementierung von GenAI extrem aufwendig sei. Das muss nicht der Fall sein, auch wenn ältere IT-Systeme im Unternehmen die Umsetzung erschweren können. Aber selbst dann ist eine relativ zeit- und kosteneffiziente Implementierung über einen Cloud-Anbieter möglich.
Für einen erfolgreichen GenAI-Einsatz sind einige grundlegende Schritte zu beachten. An erster Stelle steht die Etablierung verantwortungsvoller Leitlinien für die KI. Darin sollten die ethischen, rechtlichen und technologischen Aspekte der KI-Governance des Unternehmens genau dargelegt werden. Ebenso wichtig ist die Berücksichtigung der Unternehmenskultur, um GenAI nahtlos in die Arbeitsabläufe zu integrieren.
Nach Festlegung des Rahmenwerks folgt die Definition der GenAI-Ziele. Unternehmen sollten ihre aktuelle Technologiekompetenz und Qualifikationsbasis bewerten und einen Konsens finden, was am Ende erreicht werden soll.
Im Anschluss an die Identifikation potenzieller GenAI-Anwendungsfälle folgt die konkrete Lösungsplanung. Hier werden Fragen zu Technologieinfrastruktur und Datenanforderungen, aber auch zu Kompetenzlücken und Governance konkretisiert. Möglicherweise müssen zusätzliche Daten extern bezogen werden, um die gewünschten Modelle zu trainieren.
In dieser Phase wird ein Pilotprojekt durchgeführt, das einen Teilaspekt eines Use Cases testet und den Gesamtansatz validiert. Skepsis und Vorbehalte gegenüber GenAI in der Belegschaft sind normal. Durch kleine, kontrollierte Experimente, die zeigen, wie die Technologie Routineaufgaben beschleunigt und Mitarbeitende unterstützt, können solche Bedenken abgebaut werden.
Nach erfolgreichem Proof of Concept folgt die Entwicklung und Erprobung der Gesamtlösung. Hierbei ist die Testintegration mit dem bestehenden ERP-System des Unternehmens entscheidend, um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten.
Eine erfolgreiche Umsetzung hat sowohl technologische als auch organisatorische Dimensionen. IT und Einkauf müssen eng zusammenarbeiten, um die beabsichtigten Ziele zu erreichen. Das Change-Management spielt beim Roll-out eine Schlüsselrolle.
Neben Schulungen in Bereichen wie Prompt Design sind Maßnahmen erforderlich, die einen reibungslosen Übergang zu neuen Arbeitsweisen sicherstellen. Nach Schätzungen von BCG entfallen 70 % des Wertpotenzials bei der Implementierung von GenAI auf Menschen und Prozesse und nicht auf die Technologie selbst. Manche Unternehmen suchen gezielt interne „KI-Champions“. Sie fungieren als Vorreiter, unterstützen ihre Kolleginnen und Kollegen dabei, die neuen Tools optimal zu nutzen und jene Aspekte ihrer Tätigkeit mit hoher Wertschöpfung herauszufiltern, in denen der Mensch unentbehrlich ist.
Nach der Implementierung ist eine kontinuierliche Leistungsüberwachung und -anpassung unerlässlich, um sicherzustellen, dass das System die gewünschten Ergebnisse liefert. KI-Modelle neigen dazu, mit der Zeit weniger leistungsfähig zu werden. Dieses als „KI-Drift“ bezeichnete Phänomen muss beobachtet werden, um Schwachstellen möglichst frühzeitig zu identifizieren und zu beheben.