Frankfurter Allgemeine Zeitung - Zuckerpreis steigt um mehr als 70 Prozent

Zuckerpreis steigt um mehr als 70 Prozent

Die Verteuerung von Nahrungsmitteln findet kein Ende

Die Inflationsraten in Deutschland sind zuletzt etwas gesunken – der Preisanstieg für Nahrungsmittel aber findet kein Ende. Das zeigt der vierteljährliche F.A.Z.-Preisbericht. Im Schnitt verteuerten sich Lebensmittel auf Jahressicht um 22,3 Prozent. Selbst gegenüber Februar legten die Preise im März noch mal um 1,3 Prozent zu. Besonders extrem war es beim Zucker, dessen Preis gegenüber dem März 2022 um 70,9 Prozent gestiegen ist. Molkereiprodukte und Eier verteuerten sich um 34,6 Prozent. Die Preise für Gemüse stiegen um 27,3 Prozent, die für Brot und Getreideerzeugnisse um 23,8 Prozent und die für Fisch, Fischwaren und Meeresfrüchte um 22,2 Prozent.

Philip Lane, der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), hatte jüngst die Hoffnung geäußert, dass ein Nachlassen des Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen bei den Nahrungsmitteln bald auch den Verbrauchern zugute kommen könnte. Bislang ist davon allerdings höchsten in Ausnahmefällen etwas zu spüren: Speiseöle und Speisefette, die mit Beginn des Ukrainekriegs deutlich teurer geworden waren, weil sie vor dem Krieg zum Teil aus der Ukraine gekommen waren, sanken jetzt wieder im Preis. So verbilligte sich Butter gegenüber dem Vormonat um 7 Prozent, Speiseöle und Speisefette insgesamt um 3,1 Prozent.

Die Inflationsrate in Deutschland ist im zurückliegenden Vierteljahr zumindest etwas gesunken, allerdings fast ausschließlich wegen der geringeren Teuerung bei der Energie. Im Januar und Februar betrug die Inflationsrate 8,7 Prozent – im März ging sie auf 7,4 Prozent zurück. Eine entsprechende erste Schätzung hat das Statistische Bundesamt am Donnerstag bestätigt. Energie verteuerte sich auf Jahressicht „nur“ noch um 3,5 Prozent, nach 19,1 Prozent im Februar. Im Euroraum insgesamt war dieser Wert schon negativ. Kraftstoffe verbilligten sich um 16,1 Prozent, Heizöl wurde 35,7 Prozent billiger. Strom und Gas verteuerten sich gegenüber dem Vorjahresmonat, wurden aber gegenüber dem Vormonat günstiger.

Dabei sorgt immer noch für Diskussionen, dass die Statistiker die Berechnung der Inflationsrate nach dem Verbraucherpreis-Index (VPI) auf ein neues Basisjahr umgestellt haben. Das wird regelmäßig gemacht, hatte aber wegen der zurückliegenden Phase der Pandemie besondere Auswirkungen. So hat es nach dieser Berechnungsweise jetzt im vorigen Jahr überhaupt keine zweistelligen Inflationsraten in Deutschland gegeben. Nach der europäischen Berechnungsweise des Harmonisierten Verbraucherpreis-Index (HVPI) gab es die im vorigen Herbst aber sehr wohl – und zwar sowohl im Euroraum insgesamt als auch in Deutschland. Die Umstellung sei plausibel begründet gewesen, war zuletzt das Urteil von Analysen – aber politisch gleichwohl heikel.

Beim Zucker, dessen Preis so auffällig gestiegen ist, gab es dabei einige Besonderheiten. Paul Mohr, Managing Director im Beratungsunternehmen Inverto, einem Tochterunternehmen der Boston Consulting Group, sagte, im vorigen Jahr sei die Zuckerrübenernte wegen der Dürre schlecht ausgefallen. Zudem gäben Erzeuger und Händler die im vorigen Jahr außerordentlich stark gestiegenen Preise für Energie und Dünger weiter. Auch der Weltmarktpreis für Zucker habe seit August deutlich zugelegt.

Der Handelsfachmann meint, es sei damit zu rechnen, dass mit dem Zucker auch andere Produkte teurer würden. Fast 80 Prozent des in Deutschland erzeugten Zuckers nutzten die Lebensmittel- und die Getränkeindustrie. Allerdings bestünden Süßigkeiten natürlich nicht nur aus Zucker, und der Preis werde auch nicht allein aus den Zutaten gebildet: „Der Schokoriegel wird also sicher nicht um 70 Prozent teurer, sondern um einen deutlich geringeren Prozentsatz.“

Für die Preisentwicklung von Zucker seien die Termine der Ernteschätzung und der Veröffentlichung der Ernteergebnisse wichtig, sagt Mohr. „Da die Rübenernte in Europa aufgrund der Dürre im vergangenen Herbst schlechter ausfiel als üblich, sind die Erzeugerpreise gestiegen, und damit steigt auch der Preis des Endprodukts.“ Für den Haushaltszucker komme noch hinzu, dass Händler und Hersteller in regelmäßigen Abständen die Preise für die Waren neu verhandelten: „So ist es zu dem sprunghaften Anstieg in den vergangenen Monaten gekommen.“

Bis zum Jahr 2017 habe es hierzulande eine Zuckermarktordnung mit festen Mindestpreisen für Rüben und Quoten gegeben, sagt Mohr. Die sei dann durch ein flexibleres Modell mit einem Referenzschwellenwert und verpflichtenden Branchenvereinbarungen zwischen Rübenbauern und Rübenverwertern ersetzt worden. „In der Folge fielen die Preise erst einmal, sanken dann in der Pandemie auf Tiefstpreise und haben inzwischen in Europa wieder ein sehr hohes Niveau erreicht.“ Importierter Zuckerrohr-Zucker etwa aus Südamerika spiele aufgrund von Zöllen und Transportkosten für die Preise hier nur bedingt eine Rolle, meinte Mohr. „Auf dem Weltmarkt beeinflusst er aber natürlich die Preisentwicklung.“ Brasilien sei der größte Zuckerproduzent der Welt, gefolgt von Indien. Erst an dritter Stelle komme die EU. Zuckerrohr spiele eine wichtige Rolle in der Produktion von Ethanol, das wiederum Kraftstoffen zugesetzt werde. Das habe dazu geführt, dass der Zuckerpreis jetzt auch vom Ölpreis und von der Nachfrage nach Kraftstoffen beeinflusst werde. „Ein steigender Ölpreis führt in der Regel dazu, dass auch der Preis für Zucker steigt“, sagte Mohr.

Wie es mit dem Zuckerpreis weitergehe, sei von drei Aspekten abhängig: der Nachfrage nach Kraftstoffen auf dem Weltmarkt, den Produktions- und Logistikkosten sowie den Erntemengen: „Wenn die Konjunktur und damit die Nachfrage nach Ethanol sinkt, die Energie- und Düngerpreise sich normalisieren und die Ernten gut ausfallen, werden die Preise für Zucker sicherlich wieder sinken.“

Quelle: F.A.Z. vom 14.04.2023

Autor: Christian Siedenbiedel

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