Wirtschaftswoche - Produktion von Aluminium wandert ab

„Die Produktion von Aluminium wandert ab aus Europa“

WirtschaftsWoche: Herr Häfele, viele Unternehmen klagen seit einiger Zeit über anhaltende Lieferengpässe bei der Beschaffung von Rohstoffen und steigende Preise. Welche Rohstoffe sind besonders betroffen?

Lars-Peter Häfele: Tendenziell kritisch ist alles, woran China einen hohen Anteil der weltweiten Produktionskapazitäten hat. Also etwa Silizium für Solarmodule, Seltene Erden für Windkraftanlagen, und Batterierohstoffe, wie Lithiumhydroxid oder Grafit.

Aber seit dem Ende der Lockdowns laufen die Geschäfte mit China doch wieder recht reibungslos.

Wir haben während der Corona-Pandemie gesehen, wie gefährlich eine zu einseitige Abhängigkeit von einzelnen Handelspartnern ist, an so einfachen Dingen wie Masken oder Glasflacons für Impfstoffe. Rohstofflieferketten sind ungleich komplexer, und eine Produktion an alternativen Standorten hoch zu fahren, würde nicht Wochen oder Monate, sondern mehrere Jahre dauern. Der Konflikt Chinas mit den USA schwelt seit einiger Zeit und spitzt sich leider eher zu. Wenn es nicht gelingt, wieder in einen partnerschaftlichen Dialog einzutreten, kann es jederzeit zu Einschränkungen im Welthandel durch Sanktionen, Zölle oder Exportbeschränkungen kommen. Teilweise gibt es die auch schon. Es könnte zum Beispiel zu einem Exportstop für Silizium-Wafer aus China kommen …
…die für die Herstellung von Solarmodulen unentbehrlich sind…
… und es gibt bereits Anti-Dumping-Zölle auf Aluminiumprodukte aus China. Das kann jederzeit weiter eskalieren, zumal China weiterhin Anspruch auf Taiwan erhebt.

Lithium und Seltene Erden gibt es auch in vielen anderen Teilen der Welt. Warum hat China so eine Marktmacht?

Kurz gesagt: weil es billig ist. Seltene-Erden-Raffinerien etwa gab es bis in die 1990er hinein auch in Japan und den USA; Lithium kommt vor allem in Südamerika und Australien vor, auch in Europa gibt es wirtschaftlich abbaubare Vorkommen. Aber die Aufbereitung vom Erz oder Salz zum batteriefähigen Rohstoff ist energieintensiv und teuer. China hat das immer hoch subventioniert. Westliche Anbieter konnten da auf Dauer nicht mithalten. Besonders gefährlich ist die China-Abhängigkeit derzeit auch beim Aluminium.

Wie das? Im Gegensatz zu den anderen Elementen scheint der Aluminiummarkt im Moment eher entspannt, die Preise sind nicht ungewöhnlich hoch.

Wir würden das aber als trügerische Ruhe bezeichnen. Der Bau macht in Deutschland rund 14 Prozent der Aluminiumnachfrage aus, er legt gerade eine Vollbremsung hin.

Warum sollte Aluminium dann knapp werden?

Längerfristig steigt die Nachfrage. Der größte Abnehmer mit fast 50 Prozent des Aluminiummarktes in Deutschland ist die Autoindustrie. Der Trend zum Leichtbau und zu Elektroautos, in denen anteilig mehr Aluminium verbaut wird als in Verbrennern, erhöht tendenziell den Aluminiumverbrauch. Auch der Fotovoltaik-Ausbau nimmt Fahrt auf; hier wird viel Aluminium für die Trägergestelle der Module gebraucht.

Und wie entwickelt sich das Angebot?

Die besorgt uns am meisten. Infolge des Ukrainekriegs und der EU-Sanktionen gegen Russland kommt kein russisches Aluminium mehr auf den Markt. Der dortige Produzent Rusal war einer der größten Lieferanten für Westeuropa. Das russische Aluminium ist inzwischen weitgehend umgeleitet nach China. Das größere und langwierigere Problem aber ist, dass infolge der stark gestiegenen Energiepreise in Europa die Produktion herunter gefahren wurde. In der Slowakei zum Beispiel hat ein großes Aluminiumwerk dicht gemacht, das einen signifikanten Teil des westeuropäischen Markt beliefert hat. Zudem sind die Lagerbestände weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau, was wir an den Daten der Londoner Metallbörse sehen.

Warum sollten die europäischen Werke nicht wieder angefahren werden, wenn die Nachfrage steigt?

Wir beobachten, dass viele Produzenten neue Kapazitäten eher woanders aufbauen, statt stillgelegte in Europa wieder anzufahren. Die Produktion in Europa ist seit dem Ukrainekrieg um ungefähr 15 Prozent zurück gegangen. Demgegenüber steigt sie in anderen Regionen, vor allem im Mittleren Osten.

Was sind die Gründe?

Das liegt an den Energiekosten. Um eine Tonne Aluminium zu produzieren, brauchen Sie etwa 15 Megawattstunden Strom. In einem durchschnittlichen Pkw stecken 300 Kilogramm Alu, also etwa fünf Megawattstunden. 2022 stieg der Strompreis zum Teil von zuvor rund 30 in der Spitze auf über 400 Euro je Megawattstunde an der Leipziger Strombörse. Das hat sich zwar wieder beruhigt; im Moment liegen die Preise im Schnitt wieder unter 100 Euro. Aber selbst das bedeutet noch Mehrkosten von rund 500 Euro pro Pkw nur für die Energie zur Herstellung des Aluminiums.

Was kann in Europa dagegen getan werden?

Mit den niedrigen Preisen im Mittleren Osten wird Mitteleuropa nach unserer Einschätzung so schnell nicht mithalten können. Chancen auf einen Produktionsausbau sehen wir aber in den nordischen Ländern, die über große Potenziale bei grüner, CO2-armer Energie verfügen. Langfristig rechnen wir mit einer Konzentration von Aluminiumhütten in Gegenden, in denen man günstig Sonnen- und Windstrom erzeugen kann.

Also steht die Aluminiumproduktion auf lange Sicht in Mitteleuropa vor dem Aus?

Nein, ein Teil wird hier bleiben, schon wegen der Versorgungssicherheit. Allerdings wird europäisches Aluminium teurer sein als das aus Regionen mit sehr günstigen Strompreisen; die Sicherheit kostet eben. Eine Chance steckt auch noch im Recycling. Im Recycling reichen fünf Prozent des Stroms pro Tonne Aluminium im Vergleich zur Verhüttung neuen Bauxiterzes. Das Interesse der Abnehmer ist enorm, zurzeit kann der Bedarf an Recyclingmaterial gar nicht gedeckt werden.

Quelle: wiwo vom 29.03.2023

Autor: Stefan Hajek

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