Wenn die Rohstoffkosten die Gewinne fressen – Manager besorgt wegen Preisrallye
Ein Ende der Preissteigerung bei Vorprodukten ist laut einer Umfrage unter Einkäufern nicht in Sicht. Gleichzeitig wird die Absicherung gegen Preisrisiken immer schwerer.
Die aktuelle Schwäche an den Rohstoffmärkten kann die deutschen Unternehmen nicht beruhigen. Im Gegenteil: Die Firmen stellen sich auf weiter steigende Preise für Strom, Öl und Gas sowie energieintensive Vorprodukte ein. Das geht aus einer Studie der Unternehmensberatung Inverto hervor, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.
Für die Studie wurden 100 Geschäftsführer und Einkaufsverantwortliche von Mittelständlern und Großkonzernen befragt. Demnach gehen 71 Prozent der befragten Entscheider von zukünftig steigenden Strompreisen aus. 62 Prozent erwarten, dass Öl und Gas noch teurer werden. Auch bei Kunststoffen und Aluminium rechnet eine Mehrheit der Befragten mit Preissteigerungen.
Hinzu kommen Sorgen um die Verfügbarkeit vieler Rohstoffe: So fürchten 37 Prozent der Entscheider, dass es Engpässe bei der Versorgung mit Öl und Gas geben könnte. Auch die Versorgungslage bei Eisenmetallen und Stahl, Chemikalien sowie Papier und Holz gilt gemäß der befragten Entscheider als kritisch. Justus Brinkmann, Berater und Rohstoffexperte bei Inverto sagt: „Die Stimmung in den Unternehmen ist angespannt. Die Einkaufspreise steigen, gleichzeitig müssen sie die Verfügbarkeit sichern und die Kosten im Rahmen halten.“
Der jüngste Rückgang etwa bei Industriemetallen oder Rohöl habe bislang noch nicht im großen Umfang für Entlastung bei den Unternehmen gesorgt, sagt Brinkmann: „Die Preise sind zuletzt etwas gesunken, aber bisher ist das nur eine Momentaufnahme.“ Die Mehrheit der Unternehmen rechne weiter mit höheren Preisen.
Absicherung wird immer schwerer
Die Kosteninflation ist zu einem der wichtigsten Faktoren für das Geschäftsergebnis geworden: 86 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Energiepreise den Unternehmensgewinn maßgeblich beeinflussen. Für viele Entscheider kam die Energiepreisrally offenbar überraschend: Bei der gleichen Umfrage im Vorjahr gaben lediglich 29 Prozent der Befragten an, dass die Energiepreise Auswirkungen auf das Ergebnis haben könnten.
Den Unternehmen fällt es zunehmend schwerer, sich gegen solche Preissteigerungen abzusichern, wie die Inverto-Studie weiter zeigt. Demnach beobachten 92 Prozent der Entscheider, dass sich die Zeitspanne für Festpreise, die sie mit ihren Lieferanten vereinbaren konnten, in den vergangenen 12 Monaten verkürzt hat. Die deutliche Mehrheit setzt inzwischen auf Vereinbarungen mit variablen Preisen, die sich an einem Rohstoffindex orientieren.
Das bedeutet jedoch: Im aktuellen Umfeld übernehmen deutlich mehr Unternehmen als früher Preisrisiken im Einkauf. Die Möglichkeit, das Risiko ihren Lieferanten aufzubürden, gibt es immer seltener. Daher müssten Firmen ihren Rohstoffeinkauf professionalisieren, rät Brinkmann: „Die Situation der Preis- und Versorgungsprobleme betrifft den gesamten Markt. Unternehmen können sich allerdings einen Vorteil verschaffen, wenn sie mehr Transparenz in der Lieferkette haben als die Wettbewerber.“
Lieferengpässe und Preissteigerungen haben sich durch den Krieg in der Ukraine noch verschärft. Mehr als die Hälfte der von Inverto befragten Entscheider erlebt seit dem Angriff Russlands auf das Nachbarland, dass Rohstoffe schwerer verfügbar sind. Besonders häufig werden Eisenhalbzeuge und Stahl, Aluminium und Erdgas genannt. Allerdings ist die Abhängigkeit von Russland meist überschaubar: Zwei Drittel der befragten Unternehmen beziehen weniger als zehn Prozent ihrer Vorprodukte aus Russland, Weißrussland oder der Ukraine.
Um die Versorgung mit kritischen Vorprodukten zu sichern, setzten die meisten Firmen darauf, die Zahl ihrer Lieferanten zu erhöhen. Doch auch das bringt Probleme mit sich: „Damit steigt die Gefahr, dass die Lieferketten oder die Anfahrtswege länger werden, oder die Preise für alternative Produkte steigen“, so Brinkmann. Dies führe zwangsläufig zu höheren Kosten, die die Unternehmen an ihre Endkunden weitergeben müssten. Auch diese Entwicklung könnte die Preisspirale weiter anheizen.
Quelle: handelsblatt.com vom 17.07.2022
Dokumentnummer: HB_28508080
Autor: Jakob Blume
Alle Rechte vorbehalten: (c) Handelsblatt GmbH – Zum Erwerb weitergehender Rechte: nutzungsrechte@handelsblattgroup.com

