Die Corona-Pandemie zeigte schlagartig, wie abhängig Europa in der Produktion von Konsumgütern von der Globalisierung ist. Das gilt für fast alle Produkte des täglichen Bedarfs wie Unterhaltungselektronik, Sportgeräte, Kleidung oder Lebensmittel.
Eine typische Lieferkette in der Lebensmittelproduktion
Für die meisten Konsument:innen ist Müsli wohl ein ureuropäisches Frühstück, hat es seine Wurzeln doch in der Schweiz. Aber die Inhalte können um die halbe Welt gereist sein: Äpfel werden in Neuseeland gepflückt, in China gefriergetrocknet und schließlich in einer deutschen oder österreichischen Abfüllanlage unter die Flocken gemischt. Getreidemischungen werden von Deutschland nach China verschifft, dort mit asiatischem Honig zu den beliebten Crunchies gebacken und zum Abfüllen wieder zurückgeschickt.
Äpfel und Honig gibt es auch in Europa – doch das Sourcing in Fernost war dank eingespielter Lieferketten und reichlich vorhandener Transportmittel in den vergangenen 10 Jahren einfach günstiger. Folglich wurden in Europa immer mehr Produktionskapazitäten abgebaut. So gibt es zum Beispiel kaum noch Anlagen zur Gefriertrocknung.
Ähnlich sieht es bei Sportgeräten aus: Zwar gibt es noch europäische Hersteller – doch die bauen häufig genug nur Zulieferteile zusammen, die wiederum aus Asien stammen. Gleiches gilt für Unterhaltungselektronik. Selbst wenn es die traditionellen Marken vom Namen her noch – oder wieder – gibt, werden die Produkte oftmals in China oder anderen Ländern in Fernost gefertigt.
Corona als Game-Changer
Die breit angelegte Verlagerung von Produktionen nach Asien war jahrelang eine Win-Win-Situation für die beteiligten Weltregionen: Den Staaten in Fernost brachte die internationale Arbeitsteilung Entwicklung und Aufschwung, während Verbraucher und Unternehmen in Europa und Amerika von den niedrigeren Erzeugerpreisen und den günstigen Transportkosten profitierten. Doch seit Corona ist alles anders.
Unternehmen und Konsumenten mussten sehr schnell erkennen, wie hoch die Risiken globaler Lieferketten sind, auf denen zahlreiche Beschaffungsstrategien basieren. Angesichts geschlossener Grenzen und Shutdowns ausgerechnet in chinesischen und europäischen Industriezentren sahen sich viele Einkäufer gezwungen, möglichst schnell und möglichst regional neue Bezugsquellen zu finden. Doch diese gibt es bei Konsumgütern und auch in manchen Zweigen der Lebensmittelproduktion in Europa kaum noch.
Natürlich lässt sich die Konsumgüterindustrie nicht vollständig wieder nach Europa zurückholen, und das ist auch nicht zwingend notwendig. Doch Unternehmen sollten über Strategien nachdenken, wie sie regionale Lieferanten in ihr Sourcing-Netzwerk einbeziehen und so ihre Abhängigkeit von Asien verringern. Eine höhere Wertschöpfungstiefe in Europa kann darüber hinaus zu mehr Wirtschaftswachstum führen und zugleich der Forderung nach mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit Rechnung tragen, indem der CO2-Ausstoß wegen der weitaus kürzeren Transportwege deutlich verringert wird. Darüber hinaus lässt sich eine lokale Produktion mittlerweile auch sehr gut vermarkten.
Immer mehr Konsument:innen schauen genau hin, wo Waren herkommen und ob sie nachhaltig produziert wurden. Im Lebensmittelsektor zum Beispiel sind viele bereit, für regional produzierte Güter mehr zu zahlen. Durch die Pandemie kann der Bedarf an regional beschafften Produkten noch einmal steigen.
In vielen Fällen wird eine Fertigung in Europa teurer sein als in Asien – allerdings nicht in allen und je nach Branche wird die Preisdifferenz unterschiedlich ausfallen. Da es nicht für alle Bedarfe Bezugsquellen in Europa gibt, gilt es also zunächst Klarheit zu schaffen, ob und zu welchen Kosten ein regionales Sourcing möglich ist.
Unternehmen sollten jetzt die Chance nutzen, um ihre Beschaffungsstrategien zu überprüfen, Transparenz in ihre Lieferketten zu bringen und Risiken zu diversifizieren. Der Aufbau regionaler Lieferanten kann ein wesentlicher Baustein sein.
So gelingt der Aufbau lokaler Beschaffung
- Um eine Fertigung in Europa auf- oder auszubauen, sollten Unternehmen strategische Partnerschaften mit lokalen/regionalen Lieferanten eingehen. Der Lieferant profitiert durch eine feste Kundenbeziehung und besser planbare Abnahmemengen, das Unternehmen hat einen zuverlässigen Partner vor Ort.
- Eine höhere Wertschöpfungstiefe sichert Arbeitsplätze und Know-How, sowie auch höhere Margen in Europa
- Make-or-buy-Analysen für bislang zugekaufte Teile schaffen Klarheit, unter welchen Bedingungen der Aufbau einer eigenen regionalen Produktion realistisch ist.
- Einkaufskooperationen von Unternehmen, die gleiche oder ähnliche Bedarfe haben, können sinnvoll sein, um ein relevantes Einkaufsvolumen zu schaffen. Das gibt europäischen Investoren Abnahmeperspektiven.
INVERTO unterstützt Sie beim Thema „Nachhaltiger Einkauf“
- Innovation & Steigerung der Unternehmensleistung sowie Verbesserung der Produktqualität
- Kundenerwartungen besser verstehen und erfüllen
- Schaffung einer positiven Markenreputation als Basis für Pricing und Mitarbeiterrekrutierung
- Vorbild sein und stärkere Bindungen zu relevanten Interessengruppen aufbauen
Sprechen Sie unseren Experten an
