Die Leistung des Einkaufs ist nicht immer unmittelbar in übergeordneten Controlling-Reports oder der Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens sichtbar. So bleibt sie fachfremden Führungskräften oft verborgen. Um den Wertbeitrag des Einkaufs transparent aufzuzeigen, bedarf es daher spezieller Ziel- und Messgrößen.
Einen Zehn-Prozent-Rabatt im letzten Jahresgespräch erzielt? Aber die Einkaufsvolumina haben sich nachträglich halbiert. Die Ausschreibung, durch die eine Dienstleistung 15 Prozent unter Benchmark-Preis beschafft werden konnte? Bleibt unbemerkt, weil kaum jemand den Benchmark kennt. Und der Zuwachs bei der Kundenzufriedenheit, die sich nach dem Wechsel eines Zulieferers zeigt? Wurde vom Einkauf nicht registriert, weil die entsprechenden Daten das Marketing nie verlassen haben.
Die Beispiele klingen nach ärgerlichen Einzelfällen, doch sie sind es nicht. In vielen Unternehmen wird der Beitrag des Einkaufs zur Wertschöpfung nicht wahrgenommen. Wie weit das gehen kann, beschreibt der Einkaufsleiter eines INVERTO-Kunden so: „Verkaufserfolge werden grundsätzlich gefeiert – Einkaufserfolge werden grundsätzlich bezweifelt.“
Das hat Auswirkungen weit über das Ergebnis des Einkaufs hinaus: Wenn Geschäftsführer und andere Stakeholder die Ziele, Stärken und Schwächen der Einkaufsorganisation nicht nachvollziehen können, können sie auch keine guten Entscheidungen zu Beschaffungsprioritäten, -strategien oder -prozessen treffen. Und das führt im schlimmsten Fall dazu, dass das ganze Unternehmen Chancen verpasst, Risiken unterschätzt und Wettbewerbsvorteile verspielt.
Wer das vermeiden will, sollte die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Einkaufsperformance mess- und darstellbar wird. Die Entwicklung eines entsprechenden Ziel- und Messkonzepts beginnt mit einer Begriffsklärung und führt dann über das Erarbeiten operativer Ziele zur Einführung geeigneter Messverfahren. Anders ausgedrückt: Erst wird geklärt, was gemessen werden soll – dann wird vorgeben, wie.
Grundlagen schaffen: Arten des Einkaufserfolgs definieren
Einkaufsverantwortliche sollten fachfremden Führungskräften zunächst deutlich machen, welche Dimensionen des Einkaufserfolgs jenseits von Einsparungen existieren. Ein guter Einkauf kann nämlich nicht nur eine, sondern drei Arten von Erfolgen erreichen und jede davon braucht andere Ziel- und Messmethoden.
1. Erfolge beim Kostenmanagement sind im Wesentlichen Lösungen, die Materialkosten senken oder Kapitalkosten sparen: Letzteres vor allem durch das Verringern von Beständen und die Erhöhung von Verbindlichkeiten. Sie wirken in der Regel unmittelbar auf das operative Ergebnis, die Bilanz oder das Budget-Reporting eines Unternehmens oder dienen zumindest der Ausgabenvermeidung.
2. Erfolge beim Lieferantenmanagement führen dazu, dass Zeit- und Qualitätsziele erfüllt werden und der Wert von Lieferantenbeziehungen steigt. Beides ermöglicht nicht nur das Aufrechterhalten der Produktion, sondern trägt auch zur Kundenzufriedenheit bei. Lieferantenmanagement-Erfolge (etwa eine verbesserte Lieferantenintegration) wirken in der Regel nur mittelbar auf die Gewinn- und Verlustrechnung oder Finanzkennzahlen und müssen deshalb mit eigenen Zielvereinbarungen und Messgrößen nachverfolgt werden.
3. Erfolge beim Innovations- und Risikomanagement sichern die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Sie sind nur schwer zu messen, da sie nicht allein vom Einkauf beeinflusst werden, sondern auch von anderen Faktoren. Deshalb setzt ihr Nachweis den Einsatz spezieller Messverfahren voraus, welche in der Regel auf Zielvereinbarungen beruhen. Ein Beispiel: Das gezielte Miteinkaufen von Zulieferer-Innovationen („Innovation Sourcing“) kann die Entwicklung von Neuprodukten beschleunigen. Unternehmen, die zu den „Best Performern“ in diesem Bereich gehören, ziehen bis zu 60 Prozent der eigenen Innovationen aus ihren Beschaffungsmärkten!
Ziele vereinbaren: Was genau ist ein „Erfolg“ – und wem gehört er?
Sobald die Verantwortlichen ein Verständnis haben, welche Erfolge der Einkauf erreichen kann, können sie entsprechende Zielvorgaben entwickeln. Eine bewährte Vorgehensweise hierfür ist – ausgehend von der allgemeinen Frage „Was genau ist ein Erfolg?“ – immer speziellere Fragen zu stellen, bis diese auf eindeutige Zielvorgaben verweisen.
Sind beispielsweise Lieferantengespräche schon erfolgreich, wenn sie Preiserhöhungen vermeiden – oder erst, wenn sie zu Preissenkungen führen? Falls Letzteres: Wie hoch müsste ein Nachlass ausfallen, um als Erfolg zu gelten? Können wir aus unseren Aufzeichnungen einen Zielwert dafür ableiten? Wichtig beim Anwenden dieser Vorgehensweise: Die erarbeiteten Zielvorgaben machen Erfolge zwar als solche messbar, doch sie ermöglichen nicht immer, die Ursachen für eine Zielerreichung oder -verfehlung zuzuordnen. So kann der Rabatt eines Zulieferers durch das Verhandlungsgeschick des Einkaufs im Lieferantengespräch erreicht worden oder nur von fallenden Rohstoffpreisen verursacht sein.
Deshalb sollten die erarbeiteten Vorgaben zum Schluss einzeln geprüft werden: Welche könnten von Größen beeinflusst werden, die nicht der Kontrolle des Einkaufs unterliegen? Dies dürfte bei der Mehrzahl der Vorgaben für Innovations-, Risiko- und Lieferantenmanagement der Fall sein. Aber auch Kostenmanagement-Ziele können aufgrund äußerer Einflüsse erreicht oder verfehlt werden. Eine solche „Anfälligkeit“ für einkaufsfremde Einflussgrößen bedeutet keineswegs, dass eine einzelne Zielvorgabe unbrauchbar wäre. Doch sie sollte bei der Auswahl der zum Ziel gehörenden Messgröße berücksichtigt werden.
Messverfahren: Meist genügen Standards
Für das Messen der Zielerreichung genügt in der Regel der Einsatz von Standard-Messgrößen und -Verfahren. Dazu gehört etwa die Betrachtung der Gesamtkosten (bereinigt um Rohstoff- oder Wechselkurs-Effekte) oder des Cash Conversion Cycle. Für das Monitoring von Innovations- und Lieferantenmanagement-Erfolgen eignen sich Messgrößen zur operativen Lieferleistung, etwa die Ausfall-Quote, oder zu Prozesslaufzeiten wie beispielsweise der „Time-to-Market“ bei Neuentwicklungen.
Bei der Auswahl geeigneter Messgrößen können die Verantwortlichen durchaus pragmatisch vorgehen: Oft reicht es beispielsweise aus, die Wahl auf diejenigen Größen zu beschränken, die bereits im ERP-System des Unternehmens erfasst werden. Ein Set aus wenigen nachvollziehbaren Kennzahlen nutzt in der Regel mehr als ein groß angelegtes Report-Dashboard mit unzähligen KPIs.
Die Messverfahren sollten nicht nur vorgeschrieben, sondern auch beschrieben werden. Kriterien für Messqualität, Hinweise zur Datenaufnahme – im besten Falle aus mehr als einer Quelle, um das Plausibilisieren von Messungen zu ermöglichen – und die Vorgaben von Berechnungswegen sind genauso Pflicht wie die ausführliche Erläuterung aller eingesetzten Index- oder Scoring-Verfahren. Um die Anschlussfähigkeit an übergeordnete Reports, wie etwa das Finanzcontrolling, zu verbessern, sollten die Verantwortlichen zudem vorgeben, wie die Resultate der Erfolgsmessung aufbereitet werden sollen. Auch hier bestehen Standards wie die bewährte Financial-Bridge- (auch: EBITDA-Bridge-) Darstellung, die fachfremden Stakeholdern das Lesen der Einkaufserfolgsmessung erleichtern.
Abhängig von den verfügbaren Ressourcen und der IT-Infrastruktur der Einkaufsorganisation kann es sinnvoll sein, nicht alle gewünschten Zielvorgaben und Messverfahren auf einmal einzuführen. In der Praxis hat es sich bewährt, zunächst die Messverfahren für Kostenmanagement-Erfolge einzuführen (z. B. für Fertigungskosten, Prozesskosten und Kapitalkosten) und später Verfahren für Lieferanten-, Innovations- und Risikomanagement zu ergänzen.
Steht das Gerüst als solches, können die Verantwortlichen alle Vereinbarungen und Vorgaben in einem Controlling-Regelwerk zusammenfassen. Wenn sie dieses anschließend noch um notwendige Prozessbeschreibungen und Handreichungen ergänzen, steht dem Roll-out der neuen Einkaufserfolgsmessung nichts mehr im Weg.
Fazit: Einkaufserfolge messen ist möglich
Mit professioneller Vorbereitung, der richtigen Herangehensweise und dem Rückgriff auf bewährte Messverfahren können Einkaufsverantwortliche dafür sorgen, dass die Performance ihrer Abteilung sicht- und nachvollziehbarer wird.
Praxistipp: Das gehört ins Controlling-Regelwerk
- Beschreibung und Begriffsbestimmung der zu messenden Einkaufserfolge sowie der entsprechenden Zielgrößen und Vorgaben.
- Beschreibung der einzusetzenden Messverfahren einschließlich Hinweisen zu Reportingstrukturen, Zeiträumen und anderen Rahmenbedingungen, gegebenenfalls Informationen zu Reportingtools
- Vorschriften zur Kennzahlenberechnung – vor allem dann wichtig, wenn Zulieferer Kennzahlen erbringen sollen
- Roll-Out-Projektteam und Maßnahmenverantwortliche
- Umsetzungsplan einschließlich Meilensteine
