Die Ersatzteilbestände vieler Unternehmen sind unstrukturiert, wichtige Parameter zur Bestandssteuerung werden oft nicht gepflegt oder vernachlässigt. Dabei können Firmen mithilfe eines strukturierten Ersatzteil- Managements Millionen einsparen, wie das folgende Beispiel aus der Lebensmittelproduktion zeigt.

Ersatzteile sind nicht glamourös. Sie kosten Geld und Lagerfläche, während der Besitzer parallel darauf hofft, sie nie benutzen zu müssen. Entsprechend vernachlässigt ist das Spare Parts Management in vielen Unternehmen. Dabei bieten sich für Firmen erhebliche Einsparpotenziale und Effizienzgewinne, wenn sie konsequent dazu übergehen, ihre Ersatzteilbestände zu erfassen, dauerhaft zu managen und immer wieder den Gegebenheiten anzupassen. Selbst bei Mittelständlern kann es dabei um hohe Beträge gehen.

Wie Sie die „Flecken“ in der Bilanz finden

Das größte Problem beim Spare Parts Management ist sehr oft, dass der Überblick über die eingekauften und gelagerten Teile fehlt. Genau so war es auch bei einem großen Lebensmittelproduzenten. Einen zentralen Verantwortlichen gab es im Unternehmen nicht, stattdessen beschafften die Leiter der einzelnen Produktionsstandorte unabhängig voneinander die nötigen Ersatzteile bei unterschiedlichen Lieferanten, ohne eine ganzheitliche Standardisierungsstrategie zu verfolgen. Funktional gleiche Ersatzteile waren dadurch leicht unterschiedlich gebaut und lagerten an einem der 30 Lagerpunkte der sechs Werke.

Zwar erfasste die Firma durchaus, was in den Regalen lag, aber das ganze System war eher informell organisiert und aus Erfahrung gewachsen, weniger aus einer systematischen Planung. Der Prozess endete mit der erfolgreichen Beschaffung des Ersatzteils. Was fehlte, war eine Kategorisierung der Teile nach verschiedenen Kriterien. Diese ist aber für die weitere Steuerung des Ersatzteilbestands unabdingbar. So verpasste der Lebensmittelproduzent auch die Chance, die Teile nach Kritikalität zu sortieren. Damit ist die Sortierung der Teile nach ihrer Bedeutung für eine reibungslosen Produktionsablauf gemeint: Besonders kritische Teile könnten einen kompletten Stopp verursachen, wenn sie fehlen.

Die hohe Zahl an Lagerpunkten ist zwar verständlich – schließlich wollen die Produktionsleiter die Wege zwischen den Maschinen und den benötigten Teilen kurzhalten – jedoch stiegen durch das lokale Management die Artikelvielfalt und damit einhergehend die Kosten kontinuierlich an . Dadurch nahm der Bestand immer weiter zu. Ein Blick auf die Unternehmenszahlen deckte diese Ineffizienzen schnell auf. Konkret haben wir den Bestandswert der Ersatzteile mit den korrespondierenden jährlichen Beschaffungsvolumen ins Verhältnis gesetzt. Dieser Vergleich zeigt grob, das Wievielfache eines Jahresbedarfs an Ersatzteilen auf Lager liegt. Liegt dieser Wert im Durchschnitt deutlich über 1 – hat das Unternehmen mehr als einen Jahresbedarf auf Lager – dann gibt es i.d.R. Optimierungspotenzial. Diese Erkenntnis erlaubt es jedem Unternehmen, schnell und einfach das ungefähre Potential der Bestandsreduktion abzuschätzen.

Wie Sie den Ersatzteilbestand richtig bereinigen

Beim Inventar geht es zunächst darum, den Dead-Stock-Anteil zu identifizieren. Das ist der Teil des Inventars, der nutzlos ist, weil die entsprechenden Maschinen gar nicht mehr im Einsatz sind oder die Teile zu lange lagerten, um sie noch einsetzen zu können. Insgesamt fiel ein Anteil von ca. 2,5 Millionen Euro in diese Kategorie.

Die idealen Zielbestände je Artikel lassen sich aus der Verbrauchsfrequenz, der Planbarkeit und der Wichtigkeit eines Teils auf die Produktionsfähigkeit (Kritikalität) ableiten. Der regelmäßige Bedarf von Verschleißteilen (Wartungsteil) ist typischerweise gut planbar; hier reicht daher ein vergleichsweise niedriger Bestand aus. Artikel, die unvorhergesehen ausfallen (Reparaturteile) und kritisch für den Produktionsablauf sind, müssen hingegen in größeren Mengen vorgehalten werden. Durch die Optimierung der Bestandsmengen konnten weitere vier Millionen Euro Potenzial identifiziert werden.

Der Abgleich der Ist- und der Zielbestände zeigte auf, welche Artikel zeitnah nicht mehr bestellt werden müssen, da für die Restlaufzeit der zugehörigen Anlagen genügend Teile vorhanden sind. Die Einkaufsaktivitäten können gezielt reduziert oder ganz gestoppt werden, bis durch den Verbrauch die Zielbestände erreicht werden (Cost Avoidance). Gleichzeitig wird die Kapitalbindung kontinuierlich reduziert.

Wie Sie nachhaltige Ergebnisse schaffen

Neben der operativen Optimierung ist es wichtig, Prozesse und Arbeitsanweisungen dauerhaft zu implementieren, um die Ersatzteilbeschaffung langfristig transparent und nachvollziehbar zu regeln. Eine gewisse Zentralisierung im Ersatzteil-Management gehört dazu. Denn solange weiterhin jeder Standortverantwortliche das Management selbst übernimmt, lassen sich diese Effekte schwerer realisieren.

Das ist keinesfalls als bedingungsloses Befürworten der Zentralisierung zu verstehen. Gerade bei einem Unternehmen, das eine hohe Fertigungstiefe hat und damit auch viele verschiedene Maschinen, ist ein zentrales Ersatzteillager oft nicht die beste Lösung. Ein solches lohnt sich typischerweise dann nur, wenn ein neues Werk geplant wird, im Nachhinein wäre der Bau eines Zentrallagers i.d.R. viel zu teuer. Aber Gleiches oder Vergleichbares sollte schon zentral verwaltet werden. Eine virtuelle Zentralisierung, bei dezentraler Lagerung ist hierbei ein wichtiger Schritt. Allein durch ein „virtuelles Pooling“ konnten wir die Bestände standortübergreifend genutzter, standardisierter Artikel um weitere 26 Prozent reduzieren.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Zentralisierung der Bestellung von Ersatzteilen. So bestellen die einzelnen Werke nicht mehr selbst und arbeiten so auch nicht versehentlich gegen die übergreifende Ersatzteilstrategie. Durch diesen neu gesetzten Rahmen und die klaren Verantwortlichkeiten können Mitarbeiter nachvollziehen, was vorrätig ist und wo sie es finden. Außerdem wissen sie nun auch, wann welcher Artikel in welchen Mengen für alle Lagerpunkte nachbestellt werden muss.

Darüber hinaus haben wir spezifiziert, welche Teile künftig bevorzugt verwendet werden sollen und wo sie zu bestellen sind – Standardisierungsstrategie. Bei 30 Lagerpunkten mit verschiedenen Verantwortlichen war das zuvor nicht gegeben. Das führte dazu, dass Ersatzteile für gleiche Maschinen von verschiedenen Zulieferern oder sogar Herstellern bezogen wurden. Dadurch beraubt sich das Unternehmen der Möglichkeit, Teile zwischen Standorten auszutauschen, wenn es nötig ist. Durch die neuen Maßnahmen hat das Unternehmen jetzt eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Zulieferern, schließlich bestellt es nun durch die Standardisierungsstrategie und zentrale Bündelung größere Mengen und das bringt zusätzliche Einsparungen mit sich.

Ein Abbau von Lagerkapazitäten führt auch zu Platzeinsparungen. Der geschaffene Raum kann so gewinnbringend für den Ausbau von Produktionskapazitäten verwendet werden, eine weitere indirekte positive Auswirkung eines guten Ersatzteilmanagements.

Fazit: Kontinuität ist wichtig

Der letzte Schritt bei Projekten zum Spare Parts Management ist, die neuen Mechanismen nachhaltig zu etablieren. Denn eine Rückkehr in alte Gewohnheiten droht oft, wenn Externe neue Ideen einbringen, sich nach einer gewissen Zeit aber wieder aus dem Unternehmen zurückziehen. Um dies zu vermeiden, haben wir neben der Ersatzteilstrategie und der Bestimmung der Idealbestände strikte Prozesse und Regeln definiert sowie ein stringentes, transparentes Controlling für das Bestandsmanagement aufgesetzt.

Das hier vorgestellte Vorgehen sollte kontinuierlich durchlaufen werden, um neunen „Dead Stock“ und weitere Ineffizienzen frühzeitig zu erkennen und so einen erneuten Bestandsaufbau zu verhindern.

 

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