Wann ist eine Verpackung nachhaltig?

Der Begriff „nachhaltig“ ist unscharf definiert. Daher gibt es verschiedene Aspekte, die nicht unbedingt Hand in Hand gehen. Als nachhaltig werden etwa die Verwendung nachwachsender Rohstoffe, eine gute Recyclingfähigkeit des Materials, Ressourcenschonung allgemein oder die Reduktion des CO2 -Fußabdrucks angesehen. Das ganze Thema ist sehr komplex, und auch unter Experten gibt es oft verschiedene Ansichten, was die beste Lösung ist. Unternehmen, die sich mit der Frage befassen, sollten sich unabhängig beraten lassen und für sich festlegen, welche Kriterien für sie die wichtigsten sind.

Woran macht ein Unternehmen denn fest, welche die passende Lösung ist?

Es gibt einige Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt: Rohstoffe und Lebensmittel sollten regional hergestellt, verarbeitet und eingesetzt werden, um Ressourcen für den Transport zu sparen. Ökonomische und soziale Verantwortung, zwei weitere Aspekte einer Definition von Nachhaltigkeit, sind eine eigene Diskussion. Besonders gut recyclingfähig sind Monomaterialien, also Verpackungen, die zum Beispiel nur aus einem einzigen Kunststoff bestehen. Dieser Kunststoff sollte zudem häufig wiederverwendet werden. Es braucht eine kritische Masse, damit sich das Recycling ökonomisch lohnt. Monomaterialien sind aufgrund der Anforderungen des Verpackungsguts jedoch nicht überall einsetzbar. Sie können sogar das Gegenteil bewirken und den Verderb erhöhen, das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Gerade bei Lebensmitteln muss oft noch eine weitere Materialschicht als Barriere eingezogen werden, um zum Beispiel gegen Sauerstoff abzuschirmen oder die Verpackung stabiler zu machen.

Könnte man nicht auf einen großen Teil der Verpackungen einfach verzichten?

Für viele Produkte wie Lebensmittel und Pharmazeutika geht das nicht ohne weiteres, da wir in Europa hohe Qualitäts- und Hygieneanforderungen haben. Tatsächlich haben in der Gesetzgebung der Schutz des Konsumenten und die Sicherheit der Produkte Vorrang vor Nachhaltigkeit. Außerdem gibt es gesellschaftliche Entwicklungen, die den Berg von Verpackungen weiter wachsen lassen: Die Portionsgrößen werden kleiner, weil es mehr Singlehaushalte als früher gibt. Auch der Bedarf an Convenience Food hat zugenommen, da zu Hause weniger gekocht wird. Aber der Haupttreiber ist gegenwärtig eindeutig die Zunahme des Onlinehandels.

Muss eine nachhaltige Verpackung zwangsläufig teurer sein als eine nicht nachhaltige?

Nein, nicht zwangsläufig. Das Fraunhofer Institut hat immer wieder Möglichkeiten aufgezeigt, um Material einzusparen. Dann kann es sogar günstiger werden, weil eine Senkung des Materialeinsatzes auf die Punkte Ressourcenschonung durch geringeren Material- verbrauch und Reduktion des CO2-Abdrucks einzahlt.

Gibt es überhaupt genügend Rohmaterial, um in den kommenden Jahren komplett auf nachhaltige Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen umzustellen?

Wenn man komplett auf nachwachsende Rohstoffe umstellen wollte, wäre das nicht so schnell möglich, weil es nicht genug Material und Produktionskapazitäten dafür gibt. Bei Fasermaterialien, aus denen man zum Beispiel Pappen und Fasergussschalen herstellen könnte, wird derzeit viel zu Rohstoffen aus Gras, Tomaten und verschiedenen Einjahrespflanzen geforscht. Wobei aber hier nicht Lebensmittel an sich verwendet werden sollen, sondern Reste aus der Lebensmittelproduktion. Die Nutzung von Reststoffen ist auch für die Produktion von Bio-Polymeren, Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, ein Thema. Die gesamte Produktion von Polymeren aus nachwachsenden Rohstoffen liegt aber momentan bei weniger als einem Prozent der gesamten Kunststoffproduktion. Es braucht auch hier noch Zeit, bis hinreichende Mengen zur Verfügung stehen.

Und bei recycelten Kunststoffen?

Zurzeit ist qualitativ hochwertiger Recyclingkunststoff aufgrund des niedrigen Rohölpreises teurer als Neuware. Zwar wird Öl als endliche Ressource nicht so billig bleiben, aber bis es soweit ist, brauchen wir Lösungen, um recyceltes Plastik konkurrenzfähig zu machen. Dann wäre es sicherlich möglich, die Kapazitäten deutlich auszuweiten und weitaus mehr Rezyklate einzusetzen als bisher.

Es gibt eine Diskrepanz zwischen echter und gefühlter Nachhaltigkeit. Können Sie Beispiele nennen?

Da gibt es einige. Mehrwegflaschen aus Glas etwa haben wegen ihres Gewichtes nur dann eine bessere Ökobilanz als Einwegflaschen, wenn sie maximal 200 Kilometer transportiert werden. Das Recycling von PET-Flaschen wiederum funktioniert inzwischen recht gut. Rund 97 Prozent der bepfandeten Flaschen in Deutschland werden gesammelt und erneut zu Flaschen, Folien und anderen Kunststoffprodukten verarbeitet – hier wirkt das Flaschenpfand, weil eine sortenreine Sammlung erfolgt. Ein etwas anders gelagertes Beispiel ist die Salatgurke aus Südeuropa: Wenn sie in Folie eingeschweißt wird, ist sie länger haltbar, es gibt also weniger Lebensmittelverschwendung. Hier müssen Unternehmen und Verbraucher letztlich die Wahl treffen, ob ihnen (Plastik-)Müllvermeidung oder Lebensmittelerhalt wichtiger ist. Alternativ kann man regionale Gurken kaufen, bei denen eher auf die Folie zum Einschweißen verzichtet werden kann.

Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Gesetzgebung?

In vielen Ländern haben Gesetze schon einen Rahmen für die geordnete Sammlung verschiedener Abfallarten geschaffen. Der ist zwar in manchen Bereichen optimierungsbedürftig, aber insgesamt positiv zu bewerten. Grundsätzlich will die Politik Nachhaltigkeit unterstützen und durch Gesetzte und Abgaben eine Lenkungswirkung erzielen. Auf EU-Ebene etwa sind Abgaben auf nicht recycelte Kunststoffe, die „Plastiksteuer“, schon geplant. Hinzu kommt die Diskussion um die CO2-Abgabe. Langfristig werden herkömmliche Verpackungen teurer werden, sodass sich mehr Nachhaltigkeit für Unternehmen definitiv auch finanziell auszahlt.