Frankfurter Allgemeine Zeitung - Investoren auf Nachhaltigkeitskurs

Investoren auf Nachhaltigkeitskurs

An den Details der EU-Taxonomie wird noch mühsam gefeilt. In den Märkten kommt die Agenda umso schneller voran. Nachhaltigkeit bestimmt bereits das Handeln vieler Unternehmen und Investoren.

Jean Rogers, ESG-Leiterin des Private-Equity-Hauses Blackstone, sagt, worauf es ankommt: „Wenn wir erwägen, in ein Unternehmen zu investieren, überlegen wir von Beginn an, was dessen Superkräfte bezüglich ESG sein werden.“ Denn grüne Ideen ziehen Anleger in ihren Bann. Mit 131 Milliarden Euro haben private Anleger im Jahr 2021 mehr als siebenmal so viel Geld in nachhaltige Fonds gesteckt wie 2009. Bei institutionellen Investoren stieg die Summe um gut ein Viertel auf 232 Milliarden Euro. Ende September 2022 betrug bei den Fondsemissionen der Anteil der Produkte mit ESG-Bezug laut dem Research der Commerzbank 44 Prozent. Davon entfielen 38 Prozent auf die Light- Green- und 6 Prozent auf die Dark-Green-Kategorie. Bei „Light“ werden bei der Auswahl von Emittenten ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt, bei „Dark“ konkrete nachhaltige Anlageziele definiert. Bei Neuemission von Unternehmensanleihen stieg weltweit der ESG-Anteil in den ersten Quartalen auf 36 Prozent, speziell getrieben von Green Bonds. Während der Anteil konventioneller Anleihen um über 40 Prozent zurückging, ist die Emission von Green Bonds um über 10 Prozent gestiegen.

Investoren zeigen eine große Bandbreite von ESG-Präferenzen. Dies reicht von ESG als lediglich zusätzlichem Gewichtungskriterium bis zur strikten Fokussierung auf ausschließlich taxonomiekonforme Assets, so Martin Seimetz, Leiter Projekt Sustainability Firmenkunden bei der Commerzbank AG.

Im ersten Segment fänden ESG-Rating-Ansätze wie MSCI oder Sustainalytics weite Verbreitung. Bei strikteren Strategien würden assetspezifische Bewertungsmaßstäbe angelegt, etwa die Green Bond Principles (GBP) der International Capital Market Association. Diese fordern Festlegungen hinsichtlich der Verwendung der Emissionserlöse, der Projektevaluation, der Managementprozesse und der Berichterstattung. Bei strengeren ESG-Strategien werde ein Trend weg von der reinen ESG-Risikoperspektive sichtbar. Es gehe weniger darum, was ESG für das Investmentrisiko bedeute, sondern um den Nachhaltigkeits- Impact. Die Frage laute, welche Auswirkungen ein Investment auf ökologische und soziale Verhältnisse habe.

Für Banken und Fonds sind Nachhaltigkeitsfinanzierungen ein schnell wachsendes, attraktives Geschäftsfeld. Sie nutzen sie auch als Differenzierungsmerkmal und werben mit ihrem Engagement. Die Commerzbank hat im August angekündigt, dass sie den CO2-Ausstoß ihres Portfolios bis spätestens 2050 auf netto null reduzieren will. „Das Portfolio umfasst natürlich auch alle Kredite, die wir an Firmenkunden vergeben“, betont Seimetz. Andere Institute äußern sich ähnlich. Es etablieren sich sogenannte Sustainability-Linked Loans (SLL). Bei diesen ist der Zinssatz an allgemeine Nachhaltigkeitsziele eines Unternehmens und die Erreichung bestimmter Kennzahlen gebunden. Greenwashing soll damit ein Riegel vorgeschoben werden.

Nachprüfbare Ziele

Sämtliche der zurzeit in Arbeit befindlichen Taxonomie-Kriterien wird ein Unternehmen zwar nicht erfüllen können. Aber darauf kommt es gar nicht an. Investoren sollen damit die Möglichkeit bekommen, „grüne“ Assets miteinander zu vergleichen. Größere Unternehmen sind ab 2023 zu einer umfassenden Berichterstattung verpflichtet, wenn sie mindestens zwei von drei Kriterien erfüllen: mehr als 250 Mitarbeitende, eine Bilanzsumme größer als 20 Millionen Euro und ein Nettoumsatz über 40 Millionen Euro.

Kleinere Unternehmen müssen dies zwar erst ab 2028, vom Finanzsektor werden sie dennoch schon heute unter die Lupe genommen. „Unternehmen sollten über eine wissenschaftlich begründete und schriftlich festgehaltene Nachhaltigkeitsstrategie verfügen“, so Tim Buchholz vom Sustainable-Bonds-and-Financing-Team der DZ Bank. Begibt ein Unternehmen einen Sustainability-Linked Bond, sollte es zudem jährliche Nachhaltigkeitsberichte erstellen, extern prüfen lassen und öffentlich zugänglich machen. Ein Beispiel für eine solche Emission ist der Sustainability Bond, den der Spezialchemiehersteller Lanxess Ende 2021 mit Unterstützung der DZ Bank begeben hat. Die Anleihe mit einem Volumen von 600 Millionen Euro hat eine Laufzeit von acht Jahren und einen Kupon von 0,625 Prozent. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, seine CO2-Emissionen bis 2025 im Vergleich zum Basisjahr 2018 um 600 000 Tonnen auf 2,6 Millionen Tonnen zu reduzieren. Wird dieses Ziel nicht erreicht, erhöht sich der Zinssatz für die nachfolgenden Zinsperioden bis zur Fälligkeit um 0,25 Prozentpunkte pro Jahr.

Saubere Lieferketten

Die Senkung von CO2-Emissionen gilt als Lackmustest dafür, ob es einem Unternehmen gelingt, „sauber“ zu wirtschaften. Für das „E“, Environmental, in der Agenda muss weit vor der eigenen Tür gekehrt werden. Denn der größte Teil der Emissionen wird über die Lieferkette eingekauft. Bei elektronischen Erzeugnissen sind dies 77 Prozent, bei Mode 85 Prozent und bei Konsumgütern insgesamt sogar 90 Prozent, wie die internationale Unternehmensberatung Inverto ermittelt hat. „Unternehmen müssen genau wissen, wer ihre Lieferanten sind, wo diese produzieren und wie nachhaltig dort gearbeitet wird. Ebenso ist eine Einschätzung zu den Vorlieferanten wichtig“, so Verena Deller, Principal bei Inverto, der auf Einkauf und Supply-Chain-Management spezialisierten Tochtergesellschaft der Boston Consulting Group. Dekarbonisierung gelinge oft durch Produktinnovationen und neue Verfahren. Voraussetzung sei aber auch Veränderungsbereitschaft im eigenen Unternehmen. „Die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsagenda ist damit auch eine Frage der Firmenkultur“, so Deller.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial vom 16.11.2022

Autor: Manfred Godek

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