Angst vor Preisspirale am Bau:
Welche Werkstoffe jetzt deutlich teurer werden
Die Kosten für Baustoffe steigen immer weiter und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Die Branche fürchtet dadurch deutliche Auftragseinbrüche.
Noch wird in Deutschland viel gebaut. Doch Branchenvertreter fürchten Einbrüche im Neubaugeschäft wegen des anhaltenden Preisanstiegs für Bauwerkstoffe. Das sagte Hans Maier, Direktor des Verbands der bayerischen Wohnungswirtschaft.
Es bestehe die Gefahr, „dass die Konjunktur in der Bauwirtschaft stark in Mitleidenschaft gezogen wird“, sagt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. In einer Umfrage des Verbands klagten Mitte April neun von zehn Unternehmen über Preissteigerungen.
Viele Baustofflieferanten geben derzeit nur noch tagesaktuelle Preise für viele Materialien an – oder verzichten komplett auf Preiszusagen. Wenn möglich, werde versucht, mit Auftraggebern eine Preisgleitung zu vereinbaren. Viele Lieferanten behalten sich vor, bei Erhöhung der Selbstkosten den Preis der gelieferten Waren anzupassen.
Preise für Baustoffe steigen in Deutschland weiter stark
„Wir sehen momentan flächendeckend ein hohes und weiter steigendes Preisniveau – eigentlich über alle relevanten Baustoffe hinweg“, sagt Mike Jansen, Baubranchenexperte bei der Unternehmensberatung Inverto.
Ein Sprecher des Landesverbands der bayerischen Bauinnungen in München bestätigt das: „Wir haben alle acht Wochen massivste Preissteigerungen.“ Die Kosten für Bauprojekte seien unter diesen Voraussetzungen unkalkulierbar. Es handle sich um „eine Situation, wie wir sie noch nie hatten“.
Die Preise steigen besonders bei Baumetallen (Stahl und Stahllegierungen), Massenbaustoffen (Baukunststoffe und Holz) sowie Zuschlagstoffen (Beton und Schotter), erläutert Mike Jansen: „Momentan sind diese drei Bereiche auf einem sehr hohen Niveau, oft auch deutlich über dem des Vorjahrs, in dem wir bereits einen sehr starken Anstieg zu verzeichnen hatten.“
Womit die enormen Preissteigerungen zusammenhängen – und wie sich die Preise auf absehbare Zeit entwickeln könnten:
1. Baumetalle: Stahl, Aluminium, Kupfer
Güter aus dem Bereich Stahl und Stahllegierungen waren laut Erzeugerpreisindex des Statistischen Bundesamts im März 2022 durchschnittlich 37 Prozent teurer als im Vorjahresmonat. Der Preis für Waren aus unlegiertem Stahl hat sich zeitweise sogar verdoppelt.
„Der Preis für Betonstahl hat im März noch einmal deutlich angezogen“, sagt Tim-Oliver Müller, ein Ende des Preisanstieges sei nicht absehbar. Laut einer Verbandsumfrage meldeten Anfang April 76 Prozent der Unternehmen Lieferengpässe und Preissteigerungen bei Stahl.
Auch die Preise für Güter aus Aluminium (plus 39 Prozent) und Kupfer (plus 19 Prozent) legten zum Vorjahr kräftig zu. Aluminium in Reinform und Aluminiumlegierungen kosteten beispielsweise 57 Prozent mehr als im März 2021 und 81 Prozent mehr als vor der Coronakrise im März 2019.
„Grundsätzlich sehen wir im Moment drei Treiber für diese Preisentwicklung“, erläutert Baubranchenexperte Mike Jansen. Auf der einen Seite bleibe die Nachfrage hoch, das Investitionsvolumen habe gegenüber dem Vorjahr kaum abgenommen. „Auf der anderen Seite ist die Materialverfügbarkeit weiterhin sehr eingeschränkt.“ Hinzu kämen gegenüber 2021 massiv gestiegene Produktions- und Transportkosten – „hauptsächlich getrieben durch die hohen Energiekosten, aber auch steigende Personalkosten“.
Ukraine-Krieg und Russland-Sanktionen sorgen für hohe Baustoff-Preise
Kurzfristig treibe aktuell auch die geopolitische Situation rund um den Krieg in der Ukraine die Preise – „insbesondere im Bereich Stahl und Aluminium, weil Russland und die Ukraine für fast ein Drittel der Importe von Baustahl in die EU verantwortlich sind“. Einerseits stünden durch den Krieg die Produktionen still. Andererseits würden russische Hersteller sanktioniert, auch könne das viel verwendete Bauxit aus Australien nicht mehr in die russische Produktion fließen.
Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung bekräftigt die Probleme mit der Lieferung von Vorprodukten: „Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat zu einer hohen Unsicherheit mit Blick auf die Lieferketten geführt.“ Die Materialpreise für viele Rohstoffe schwankten dadurch deutlich stärker. „Das erschwert die Bauplanung.“ Viele Unternehmen erhöhten die Preise weiter, um Unwägbarkeiten auszugleichen.
Auf lange Sicht spiele zudem die Coronapandemie noch immer eine große Rolle, insbesondere die derzeitige Lage in China, erläutert Mike Jansen. Der anhaltende Coronalockdown in Schanghai störe die globalen Lieferketten: „Die Produktionen in China sind heruntergefahren, Transportmöglichkeiten durch den Lockdown unter anderem im Hafen Schanghai nicht vorhanden.“ Die Ersatzbeschaffung von Baustahl aus China sei dadurch ebenfalls stark eingeschränkt.
2. Massenbaustoffe: Baukunststoff, Holz
Holz wird seit Jahren immer teurer. Aktuell sind die Preise auf „einem Niveau, wie es zuvor noch nie da war“, schreibt das landwirtschaftliche Fachmagazin „Agrarheute“. Am Terminmarkt in den USA stieg der Preis für Bauholz demnach seit
Jahreswechsel um rund 20 Prozent.
Auch in Deutschland stiegen die Preise für nahezu alle Holzsortimente. So nahmen Waldbesitzer im Februar etwa 56 Prozent höhere Preise für Fichtenholz als im Januar. Der Erzeugerpreisindex für Holz aus den Staatsforsten stieg im Februar 2022 um 2,6 Prozent zum Vormonat und um etwa ein Drittel zum Februar 2021. Nun kommen die Exportsanktionen gegen Russland hinzu, die das globale Angebot an Holz zusätzlich ausdünnen.
Bei den Holzpreisen zeigt sich auch bereits ein Ansatz des befürchteten Dominoeffekts: Zimmer- und Holzbauarbeiten waren im Februar 2022 um 33,9 Prozent teurer als noch im November 2021.
Neben dem Holz wurden auch Baukunststoffe zuletzt deutlich teurer: Im März 2022 kosteten Kunststoffplatten 33 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Baubedarfsartikel aus Kunststoffen waren 14 Prozent teurer als im Vorjahr, im Vergleich zum März 2019 sind es rund 21 Prozent. Mike Jansen erläutert: „Gerade erdölbasierte Bau- und Kunststoffe wurden angesichts der steigenden Ölpreise immer teurer.“
Zudem herrsche etwa bei Bitumen, das vor allem im Straßenbau und für Abdichtungsarbeiten eingesetzt wird, eine große Abhängigkeit von Russland. Durch den Ukrainekrieg sei es plötzlich rar und teuer, sagt Jansen.
3. Zuschlagstoffe: Beton, Zement, Flugasche, Kies, Schotter
Im Gegensatz zu importierten Materialien zeige sich bei in Deutschland oder Europa produzierten mineralischen Baustoffen „keine Volatilität bei der Preisentwicklung“, hieß es noch im März 2021 vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. „Die stetige Aufwärtsentwicklung der Einkaufspreise für Kies, Sand, Zement und Beton folgt hier der starken Baukonjunktur.“
Und tatsächlich: Zement, Mörtel, Beton und ähnliche feuerfeste Mischungen waren damals im Vorjahresvergleich sogar um zwei Prozent günstiger geworden, wie Daten des Statistischen Bundesamts zeigen. Ein Jahr später ist Beton im März 2022 jedoch zehn Prozent teurer als im Vorjahresmonat, auch Zement, Kies und Sand legten um ähnliche Prozentwerte zu.
Die Preissteigerungen sind hier vor allem auf die steigenden Benzin- und Dieselpreise zurückzuführen, sagt Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie: „Der Preisanstieg bei Diesel trifft die Bauunternehmen besonders stark, immerhin entfällt im Baugewerbe knapp die Hälfte der benötigten Energie auf Dieselkraftstoff.“
Branchenexperte Mike Jansen erläutert: „Beton, Kies, Sand – all das sind sehr transportintensive Baumaterialen mit vielen kleinen Produktionsstätten.“ Die gestiegenen Öl- und Dieselpreise für die Transportwege wirkten sich dementsprechend stark auf die Preise aus. Hinzu komme „die Tatsache, dass ukrainische Lastwagenfahrer jetzt fehlen“.
Langfristig spielen auch steigende Personalkosten eine Rolle: „Mit dem Blick nach vorn Richtung Mindestlohnerhöhung sehe ich da wenig Entspannung“, sagt Jansen. Es bleibe abzuwarten, „wie gerade kleinere Unternehmen die steigenden Personalkosten abfangen können“.
Quelle: handelsblatt.com vom 25.04.2022
Dokumentnummer: HB_28271516
Autor: Tobias Gürtler
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